Schnarchen entsteht oft durch falsche Zungenposition im Mund. Erfahren Sie, warum und wie Sie es mit einfachen Übungen lindern können.
Das erwartet Sie:
Kennen Sie das? Ihr Partner klagt über Ihr nächtliches Schnarchen, Sie selbst wachen morgens wie gerädert auf – und niemand hat Ihnen bisher erklärt, warum. Die Antwort liegt oft direkt hinter Ihren Zähnen: in der Position Ihrer Zunge.
Was passiert eigentlich beim Schnarchen?
Schnarchen entsteht, wenn die Atemluft auf ihrem Weg durch Nase, Mund und Rachen auf Widerstand trifft. Die Weichteile im Rachenraum – also Gaumensegel, Zäpfchen und Rachenwände – beginnen zu vibrieren. Das erzeugt das typische Schnarchgeräusch.
Aber warum verengt sich dieser Atemweg überhaupt?
Hier kommt die Zunge ins Spiel. Viele Menschen wissen nicht, dass die Zunge einen festen „Ruheort" haben sollte: Sie liegt normalerweise mit ihrer gesamten Oberfläche am Gaumen an, die Zungenspitze berührt sanft den Bereich direkt hinter den oberen Schneidezähnen.
Die Zunge als Muskelpaket: Anatomie kurz erklärt
Die Zunge ist nicht einfach nur ein Organ – sie ist ein hochkomplexes Muskelpaket aus acht verschiedenen Muskeln. Diese lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
- Innere Zungenmuskulatur: Verändert die Form der Zunge (macht sie breiter, schmaler, dicker)
- Äußere Zungenmuskulatur: Bewegt die Zunge im Raum (nach vorne, hinten, oben, unten)
Die äußere Muskulatur ist besonders wichtig für unsere Fragestellung, denn sie verbindet die Zunge mit:
- dem Unterkiefer (Musculus genioglossus)
- dem Zungenbein (mehrere Muskeln)
- dem Griffelfortsatz des Schläfenbeins (Musculus styloglossus)
Was bedeutet das praktisch? Die Zunge hängt buchstäblich an einem fein abgestimmten Muskel-Seilzug-System. Wenn dieses System nicht richtig funktioniert, fällt die Zunge nachts nach hinten – und verengt den Atemweg.
Warum die Zungenposition so wichtig ist
1. Die Zunge als natürlicher Gaumenformer
Bei Kindern hat die korrekte Zungenposition eine entscheidende Funktion: Sie formt den Oberkiefer. Der ständige sanfte Druck der Zunge von innen gegen den Gaumen wirkt wie eine natürliche kieferorthopädische Apparatur.
Studien zur kraniofazialen Entwicklung zeigen: Kinder, die dauerhaft durch den Mund atmen (und deren Zunge deshalb tief liegt), entwickeln häufiger:
- einen schmalen, hohen Gaumen
- zu wenig Platz für alle Zähne
- ein zurückliegendes Kinn
- verkleinerte Atemwege
2. Die Zunge als Atemwegs-Öffner
Wenn die Zunge am Gaumen liegt, passieren zwei wichtige Dinge:
Erstens: Der Zungengrund (der hintere Teil) wird automatisch nach vorne-oben gezogen. Dadurch bleibt der Rachenraum weit und offen.
Zweitens: Die Muskelspannung (der sogenannte Muskeltonus) in der gesamten Schlundmuskulatur verbessert sich. Die Weichteile im Rachen werden stabiler und kollabieren nachts nicht so leicht.
3. Die Zunge und die Nasenatmung
Hier schließt sich ein wichtiger Kreis: Die korrekte Zungenposition fördert die Nasenatmung – und die Nasenatmung wiederum stabilisiert die Zungenposition.
Warum ist Nasenatmung so wichtig?
Die Nase ist nicht nur ein Luftfilter. Sie erfüllt mehrere Funktionen:
- Erwärmung der Atemluft auf Körpertemperatur
- Befeuchtung (verhindert Austrocknung der Schleimhäute)
- Filterung von Partikeln und Krankheitserregern
- Produktion von Stickstoffmonoxid (NO) – ein Gas, das die Bronchien erweitert und die Sauerstoffaufnahme verbessert
Menschen, die durch den Mund atmen, verpassen diese Vorteile. Gleichzeitig führt Mundatmung dazu, dass die Zunge tief im Mund liegt – ein Teufelskreis.
Wie erkennen Sie eine falsche Zungenposition?
Viele Menschen haben nie gelernt, wo ihre Zunge eigentlich hingehört. Hier sind typische Anzeichen für eine ungünstige Zungenposition:
Direkt beobachtbar:
- Die Zunge liegt flach am Mundboden
- Die Zungenspitze drückt gegen die unteren Zähne
- Der Mund steht häufig leicht offen
- Sie atmen oft durch den Mund (besonders beim Schlafen)
Indirekte Hinweise:
- Zahnabdrücke am seitlichen Zungenrand (die Zunge drückt ständig gegen die Zähne)
- Morgendliche Mundtrockenheit
- Häufiges Räuspern (durch ausgetrocknete Schleimhäute)
- Schluckbeschwerden oder ein "Kloßgefühl" im Hals
- Schnarchen oder sogar Atemaussetzer (Schlafapnoe)
Der Zusammenhang zwischen Zungenposition und Schnarchen: Die Mechanik dahinter
Stellen Sie sich Ihren Rachenraum wie einen Schlauch vor. Dieser Schlauch hat keine festen Wände aus Knochen – er wird durch Muskeln und Weichteile stabilisiert.
Was passiert bei korrekter Zungenposition?
Wenn die Zunge am Gaumen liegt:
- Der Musculus genioglossus (der größte Zungenmuskel) ist aktiv und zieht den Zungengrund nach vorne
- Über das Zungenbein (ein kleiner, frei schwebender Knochen im Hals) werden auch die Rachenmuskeln gespannt
- Der gesamte Rachenraum bleibt weit und stabil
- Die Luft kann ungehindert strömen – kein Schnarchen
Was passiert bei tiefliegender Zunge?
Wenn die Zunge am Mundboden liegt:
- Der Zungengrund fällt im Schlaf nach hinten
- Er verengt den Rachenraum wie ein Ventil
- Die Luft muss durch eine engere Passage strömen
- Die Strömungsgeschwindigkeit erhöht sich (wie bei einem Gartenschlauch, den Sie zusammendrücken)
- Die Weichteile beginnen zu vibrieren – das Schnarchgeräusch entsteht
Bei ausgeprägten Fällen kann der Zungengrund den Atemweg sogar komplett blockieren. Das führt zu Atemaussetzern (obstruktive Schlafapnoe) – eine ernsthafte Erkrankung mit erhöhtem Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall.
Warum liegt die Zunge überhaupt falsch?
Die Ursachen für eine ungünstige Zungenposition sind vielfältig:
Bei Kindern:
- Chronisch verstopfte Nase (durch Allergien, vergrößerte Rachenmandeln)
- Schnuller oder Daumenlutschen über das 3. Lebensjahr hinaus
- Zu weiche Nahrung (die Kaumuskulatur wird nicht ausreichend trainiert)
- Zungenband zu kurz (eingeschränkte Beweglichkeit)
Bei Erwachsenen:
- Angewöhnte Mundatmung seit der Kindheit
- Chronische Nasennebenhöhlenentzündungen
- Übergewicht (zusätzliches Fettgewebe im Rachenraum)
- Muskuläre Dysbalancen im Kopf-Hals-Bereich
- Stress und Anspannung (führt zu verändertem Atem- und Schluckmuster)
Die Verbindung zur Körperhaltung
Ein faszinierender Aspekt: Die Zungenposition beeinflusst nicht nur den Rachenraum, sondern die gesamte Körperhaltung.
Die biomechanische Kette
Der menschliche Körper ist ein zusammenhängendes System aus Muskeln, Faszien und Knochen. Über das Zungenbein sind verbunden:
- Die Zunge (nach oben)
- Die Kaumuskulatur und der Unterkiefer
- Die Nackenmuskulatur (nach hinten)
- Die Kehlkopfmuskulatur (nach unten)
- Über Faszien sogar die Rückenmuskulatur bis zum Becken
Praktisches Beispiel: Wenn Ihre Zunge dauerhaft tief liegt, muss Ihr Kopf nach vorne wandern, um die Atemwege offen zu halten. Diese Kopfvorhalte-Haltung führt zu:
- Verspannungen im Nacken
- Kopfschmerzen
- Schulterschmerzen
- Langfristig sogar zu Veränderungen der Wirbelsäule
Was können Sie selbst tun?
Die richtige Zungenposition finden
Übung: Sagen Sie das Wort "Ning" oder "Ding". Spüren Sie, wo Ihre Zungenspitze dabei den Gaumen berührt? Genau dort sollte sie auch in Ruhe liegen – etwa einen halben Zentimeter hinter den oberen Schneidezähnen.
Die gesamte Zunge sollte sanft am Gaumen anliegen, nicht nur die Spitze. Der Mund ist geschlossen, die Zähne berühren sich leicht oder haben einen minimalen Abstand.
Myofunktionelle Übungen
Diese Übungen trainieren die Zungenmuskulatur:
1. Die Zungenschaukel
- Zunge weit herausstrecken und nach oben zur Nase ziehen
- 5 Sekunden halten
- Entspannen und wiederholen (10x täglich)
2. Der Zungensauger
- Zunge flach am Gaumen ansaugen (wie beim Schnalzen)
- 10 Sekunden halten, dabei durch die Nase atmen
- Lösen und wiederholen (5x täglich)
3. Das Schluckmuster
- Achten Sie beim Schlucken darauf, dass die Zungenspitze am Gaumen bleibt
- Die Zähne sollten sich leicht berühren
- Die Lippen sind entspannt geschlossen
Nasenatmung fördern
Tagsüber:
- Bewusst durch die Nase atmen (setzen Sie sich Erinnerungen)
- Bei verstopfter Nase: Nasenspülungen mit Salzlösung
- Allergien behandeln lassen
Nachts:
- Seitenlage statt Rückenlage (verhindert das Zurückfallen der Zunge)
- Kopfteil des Bettes leicht erhöhen (10-15 cm)
- Bei Mundatmung: Spezielle Mundpflaster können helfen, die Nasenatmung zu trainieren
Wann sollten Sie professionelle Hilfe suchen?
Konsultieren Sie einen Facharzt oder spezialisierten Zahnarzt, wenn:
- Ihr Schnarchen sehr laut ist oder Ihr Partner Atemaussetzer bemerkt
- Sie tagsüber sehr müde sind trotz ausreichend Schlaf
- Sie morgens mit Kopfschmerzen aufwachen
- Ihre Zunge Abdrücke der Zähne zeigt
- Sie Kiefergelenkschmerzen haben
- Ihr Kind dauerhaft durch den Mund atmet oder schnarcht
Moderne Therapieansätze
Myofunktionelle Therapie: Ein Logopäde oder spezialisierter Therapeut trainiert mit Ihnen gezielt die Mund- und Zungenmuskulatur. Diese Therapie zeigt besonders bei Kindern hervorragende Erfolge.
Funktionell: Spezielle weiche Schienen (keine festen Zahnspangen) können die Muskulatur trainieren und gleichzeitig den Kiefer in eine günstigere Position bringen.
Schlafmedizinische Abklärung: Bei Verdacht auf Schlafapnoe ist eine Untersuchung im Schlaflabor wichtig, um Risiken auszuschließen.
Fazit: Die Zunge – ein unterschätzter Schlüssel
Die Position Ihrer Zunge ist weit mehr als eine Nebensächlichkeit. Sie beeinflusst:
- Ihre Atmung (Tag und Nacht)
- Ihre Schlafqualität (und die Ihres Partners)
- Ihre Kieferentwicklung (besonders bei Kindern)
- Ihre Körperhaltung (über muskuläre Verbindungen)
- Ihre allgemeine Gesundheit (durch die Qualität Ihres Schlafs)
Die gute Nachricht: Sie können aktiv etwas ändern. Mit bewusstem Training der Zungenposition, Förderung der Nasenatmung und gegebenenfalls professioneller Unterstützung lässt sich in vielen Fällen das Schnarchen deutlich reduzieren oder sogar ganz beseitigen.
Beginnen Sie heute damit, Ihre Zunge bewusst wahrzunehmen. Wo liegt sie gerade, während Sie diesen Text lesen? Kleiner Tipp: Sie sollte am Gaumen liegen, Ihr Mund sollte geschlossen sein – und Sie sollten durch die Nase atmen.
💡 Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei anhaltenden Beschwerden oder Verdacht auf Schlafapnoe konsultieren Sie bitte einen Facharzt. Schnarchen kann ein Symptom ernsthafter Erkrankungen sein, die einer ärztlichen Behandlung bedürfen.






